Rückblick auf die 44. Legislaturperiode |
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9. Verkehr
92.016 |
Schutz des Alpengebietes vor
dem Transitverkehr. Volksinitiative |
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Protection des régions
alpines contre le trafic de transit. Initiative populaire |
Botschaft: 12.02.1992 (BBl II, 877 / FF II, 865)
Ausgangslage
Die Volksinitiative "zum Schutze des Alpengebietes vor
dem Transitverkehr" verlangt, den Lebensraum der Bevölkerung, der Tier- und
Planzenwelt im Alpengebiet vor den schädlichen Auswirkungen des Transitverkehrs, d.h. vor
"Luftschadstoffen, Lärm und Gifttransporten" zu bewahren. Zur Erreichung dieses
Zieles soll erstens der alpenquerende Güterverkehr von Grenze zu Grenze zwingend auf der
Schiene abgewickelt werden, soweit nicht unumgängliche Ausnahmen vorzusehen sind. Diese
Verlagerung auf die Schiene muss zehn Jahre nach Annahme der Initiative abgeschlossen
sein. Zweitens darf die bestehende Transitstrassenkapazität mit Ausnahme von
Umfahrungsstrassen zur Umfahrung von Ortschaften vom Durchgangsverkehr nicht erhöht
werden, wodurch die Attraktivität der Alpenachsen und das Wachstum des
Personentrasitverkehrs im Alpenraum strassenseitig begrenzt werden soll.
Der Bundesrat empfiehlt, die Initiative abzulehnen. Sie sei
in einer Zeit entworfen worden, zu der verschiedene Massnahmen noch nicht ersichtlich oder
noch nicht beschlossen gewesen wären. Das Umfeld habe sich inzwischen grundlegend
geändert, weshalb sie nach Ansicht des Bundesrates hinfällig geworden sei. Der
alpenquerende Güterverkehr mache aktuell lediglich 7 Prozent des gesamten alpenquerenden
Güterverkehrs aus. Die Initiative weise auch formelle und inhaltliche Mängel auf, die
ihre Durchführung fragwürdig erscheinen liesse.
Die Initiative tangiere im weiteren internationale Abkommen
und Verpflichtungen. Das Ausland würde bei Annahme der Initiative ohne Zweifel
schmerzliche Retorsionsmassnahmen ergreifen, was die Schweiz in eine bedrohliche verkehrs-
und handelspolitische Isolation drängen würde. Die Initiative tangiere aber auch den
wichtigen schweizerischen Grundsatz der Freiheit der Verkehrsmittelwahl.
Verhandlungen
NR |
16.12.1992 |
AB 1992, 2606 |
SR |
16.06.1993 |
AB 1993, 508 |
NR / SR |
18.06.1993 |
Schlussabstimmungen (90:60 / 23:2) |
Der Nationalrat lehnte als Erstrat Zwangsmassnahmen
zur Verlagerung des Gütertransits auf die Schiene mit 94 gegen 54 Stimmen ab. Die SP-,
GPS-, LdU/EVP- und SD/Lega-Fraktionen befürworteten die Initiative. Absichtserklärungen
genügten nicht mehr, jetzt müsse der Verzicht auf den Weiterausbau der Strassen in den
Alpen verbindlich festgelegt werden, sagte Hämmerle (S,GR) und Diener (G,ZH) bezeichnete
die Initiative als Absicherung für die NEAT. Nur so sei garantiert, dass diese auch
tatsächlich genützt werde. Laut Strahm (S,BE) könne von einem Widerspruch zum
Transitabkommen und einer Diskriminierung von Ausländern keine Rede sein, denn das
Begehren behandle alle Ausländer gleich und lasse offen, wie das Ziel erreicht werden
solle.
Von Seiten der bürgerlichen Fraktionen wurde darauf
hingewiesen, dass das Begehren überholt und weitgehend erfüllt sei. Das Ziel der
Verlagerung der Güter auf die Schiene sei nicht mit Zwangsmassnahmen zu erreichen,
sondern mit einem attraktiven Bahnangebot. FDP-, CVP-, SVP und LPS-Sprecher beharrten auf
der freien Wahl der Verkehrsmittel. Schon gegenwärtig würden 82 Prozent des
alpenquerenden Güterverkehrs auf der Schiene abgewickelt, der Strassentransit zu 96
Prozent von ausländischen Transporteuren wahrgenommen. De facto werde das Begehren im
Ausland somit als Benachteiligung wahrgenommen, was Retorsionsmassnahmen und eine weitere
Isolation befürchten lasse. FPS-Sprecher Scherrer (BE) kritisierte die Grünen und
Sozialdemokraten, sie würden die Urner aufhetzen und dort ihre "kollektivistische
Politik" durchzusetzen versuchen.
Wie der Nationalrat empfahl auch der Ständerat mit
28 gegen 8 Stimmen die Initiative Volk und Ständen zur Ablehnung. Auch ein moderaterer
Gegenvorschlag von Danioth (C, UR) hatte keine Chance. Gemäss diesem Gegenvorschlag
sollte der Transitgüterverkehr von Grenze zu Grenze ebenso zwingend auf der Schiene
abgewickelt werden, dies jedoch nicht innert zehn, wie bei der Initiative, sondern innert
15 Jahren. Zudem wollte er auf ein Verbot des alpenquerenden Güterverkehrs verzichten.
Und schliesslich verlangte er, den Leistungsauftrag der SBB so zu gestalten, dass der
kombinierte Verkehr Schiene/Strasse dank Subventionen und neuen Umladeplätzen
wirtschaftlich attraktiv wird.
Ein weiterer Kompromissvorschlag von Kurt Schüle (F, SH),
der die Umlagerung auf die Schiene weniger zwingend verlangte, auf eine genaue Frist und
auf einen Strassenausbau-Stopp verzichtete, fand auch keine Zustimmung.
Legislaturrückblick 1991-1995 - © Parlamentsdienste Bern
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